Behandlungsmethoden in der Schmerzbehandlung lernen und wieder vergessen – Folge #092

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Behandlungsmethoden lernen, um sie dann über Bord zu werfen?

In dem Buch „Die Psychologie des Totalitarismus“ von Mattias Desmet fand ich Anregungen für diesen Podcast. Er beschreibt, wie man in der Kunst, im Handwerk und im Kampfsport viele Regeln lernt. Ebenso lernt man viele Methoden, praktiziert diese über viele Jahre, um dann an den Punkt zu kommen, dies alles wieder zu vergessen, zum Beispiel beim Kampfsport, wenn man in den Krieg zieht. In meiner täglichen Praxis im medizinischen Bereich, früher als Physiotherapeut heute als Heilpraktiker, musste ich ebenfalls sehr viel Theorie, viele Methoden lernen und auch fachübergreifende Lehrgänge besuchen. In meiner täglichen Praxis mit den Schmerzpatienten (in Köln oder Haslach), muss ich im Alltag allerdings genau dies alles hinter mir lassen, um mich in meine Patientinnen und Patienten einfühlen zu können. Die Schmerzpatientinnen oder Schmerzpatienten leiten somit die Behandlung. Im akuten Notfall ist dies etwas anderes.

Therapien lernen mit Theorie und Behandlungs-Methoden, um diese irgendwann zu vergessen

Die letzten 30 Jahre konnte und durfte ich durch meine Tätigkeit als Schmerztherapeut in eigener Praxis (Köln und Haslach) sehr viel Theorie in medizinischen Bereichen lernen und üben, oft an den Patientinnen und Patienten, aber auch an anderen Kursteilnehmern. Um eine Therapiemethode zu erlernen, hat man einen „Guru“ der entsprechenden Behandlungsmethode, der die Erleuchtung für alle anderen bereithält. Viele der Menschen, die ich im Laufe meiner Tätigkeit kennen gelernt habe, waren ständig begeistert von neuen Methoden oder Techniken. Als ich mich von einem meiner Lehrmeister abgespalten habe, um meinen eigenen Weg zu beginnen, war ich an einem bestimmten Punkt angekommen. Ich sagte mir: Ich schreibe keine der Behandlungsmethoden, die ich je gelernt habe, aus der

  1. Physiotherapie: Anatomie, Physiologie, Manuelle Therapie, PNF, Muskelstärkung mit und ohne Geräte, Druck nach Packi, FBL, BGM, Massage, Myoreflextherapie. 
  2. als Heilpraktiker: Kräutertherapie, Akupunktur, Akupressur, Total Totem Process aus dem Schamanismus, Psycho-Traumatherapie, Hirnforschung etc.) mehr auf das Praxisschild. 

Nur noch so etwas wie: „Muskel und Gesundheit“. Als dann Kolleginnen und Kollegen ins Behandlung-Team dazu kamen, schrieb ich doch wieder 

  1. Myoreflextherapie® nach Dr. Mosetter
  2. Akupunktur
  3. Akupressur
  4. Myohydrotherapie®
  5. DehnKraft-Training®
  6. MyoBoard2go®

auf das Praxisschild in Köln und Haslach. Die jeweilige Behandlungs-Methode gibt uns Schmerz-Therapeutinnen und Therapeuten oft Halt. Dies ist meine Methode, die funktioniert bei meinen Patientinnen und Patienten meist sehr gut. 

Wenn ich heute meine Schmerz-Patientinnen und Patienten behandle, muss ich anfangs zuhören. Lauschen lernen ist ein ganz wichtiger Teil, den Therapeutinnen und Therapeuten lernen müssen. Einer meiner Lehrmeister (Dr. med. Kurt Mosetter) sagte einmal: „Ihr müsst lernen, in den Körper rein zu lauschen, nicht rein zu brüllen!“ 

Dies bedeutet für unsere Behandlung (bei Schmerzen oder körperlichen Leiden wie Verschleiß der Gelenke oder Bandscheiben genauso, wie bei seelischen bzw. psychischen Leiden), dass wir versuchen müssen, zwischen dem Gesagten herauszuhören, was wirklich gesagt oder gemeint wird. Bei der muskulären- oder Faszienbehandlung ist es wichtig, dass wir unsere Schmerz-Patientinnen und Patienten bewegen und beim Behandeln schauen, wie sind die Ausweichbewegungen. Diese geben uns die nächste Behandlungsregion vor – nicht unser Wissen oder erlernte Methoden. Ich folge also dem Wissen des Körpers, der sich vor mich auf die Behandlungsbank gelegt hat. Diese agiert mit der Seele als Einheit. Und diese Einheit hat so viel mehr Wissen und Erfahrung als ich, dass ich mich gut davon leiten lassen kann. 

Kampfsport lernen mit Regeln und Techniken, um diese irgendwann zu vergessen

Durch das Training im Kampfsport, egal welcher (Karate, Judo, Aikido, Hapkido, Arnis, Muay Thai oder wie ich selbst Jiu-Jitsu und Ju-Jutsu) muss man viele Regeln lernen. Ebenso viele Techniken, die man über viele Jahre und Jahrzehnte zur Perfektion trainiert. Dann kommt der Tag, an dem man alles vergessen muss, was man gelernt hat. Das ist der Tag, an dem man in die Schlacht zieht. Dann muss man sich darauf verlassen, dass der Köper die Bewegungs-Muster automatisch abruft. Ansonsten verliert man das Leben. Dies ist nachzulesen in dem Buch: Die Psychologie des Totalitarismus von Hr. Desmet. 

Ebenso bezieht er diesen Weg auf das Handwerk und die Kunst. In meiner Zeit als Lehrling in der Industrie-Schreinerei und später in den Gesellen-Jahren, kam ich zu der Erkenntnis, dass ich kein Herzblut-Schreiner bin, wie andere aus meinem Jahrgang. Mein Herz fing an zu „bubbern“, als ich in der Medizin (meine Familie ist eine medizinisch geprägte) Muskeln und Bewegungsmuster lernen durfte. Da fand ich Lehrerinnen und Lehrer, die mich endlich be-geistern konnten. Heute würde ich sagen, dass ich eine Behandlungskunst ausübe, aber keine Methode.  

Schmerzpatientinnen und Schmerzpatienten in der Schmerz-Praxis verstehen

Unsere Schmerz-Patientinnen und Patienten schätzen, dass wir versuchen zu verstehen, was sie bewegt. Seelisches erleben führt oft zu den unterschiedlichsten körperlichen Schmerz-Symptomen. Nur diese schmerzenden Stellen zu behandeln, reicht auf die lange Sicht oft nicht aus. Wem ein kurzfristiges: Mach mal weg! ausreicht, der hat auf die lange Sicht oft sehr viele Operationen, Kur und Rehazeiten und chemische Mittel (Medikament, die Nebenwirkungen haben), die ihn plagen. In den Ausbildungen und der Praxis an den Patienten lernt man im besten Fall irgendwann zu hören. Ich versuche immer, dass ein Bild entsteht, von dem, was mir erzählt wird und dem, was vielleicht weggelassen wird. Bewusst oder unbewusst.  

Muskeln und Faszien behandeln bedeutet, sich einfühlen zu können, in den Körper zu lauschen

Durch 30-jährige Tätigkeit als Ausbilder, Anwender und Praxisleiter für Myoreflextherapie nach Dr. Mosetter, konnte ich lernen, wie sich Bewegungen geschmeidig anfühlen. Ebenso, wie sich Muskel-Bewegungen anfühlen, die Unfälle gekennzeichnet wurden. Auch Osteopathen und Osteopathinnen brauchen diese Art der Muskel- und Faszienbehandlung (des Verstehens) genauso, wie Myo-Therapeuten oder Myo-Therapeutinnen. Wir versuchen immer erst mal

  1. Muskeln oder
  2. Faszien 
  3. die Verklebungen und Verspannungen zu lösen. 

Dann beobachten wir die Ausweichbewegungen durch die entstehenden Schmerzen zu sehen und verstehen. Durch das Lösen der verspannten Muskeln werden die Bewegungen wieder geschmeidiger und ohne Ausweichbewegungen durchführbar. Die Schmerzen können später selbst zuhause mit dem MyoBoard2go weiter behandelt werden. 

Je besser ich mich als Therapeut in die muskulären Bewegungsmuster der zu Behandelnden einfühlen kann, desto besser und schneller entspannen sich die Muskelketten, Meridiane, Faszien und die Muskeln. Dies bedeutet, dass ich nicht 30 Sekunden oder eine Minute auf einen Muskelansatz drücken muss, um diesen zu entspannen (relaxieren). Ich muss mich einfühlen. Dann geschieht die Reaktion in Sekunden. Je besser ich das Spiel mit der Druckstärke (so stark wie nötig und schwach wie möglich) beherrsche, desto schneller reagiert das muskuläre und seelische System des Gegenübers. Dies hat nicht primär mit der Methode des „Triggerns“ zu tun, sondern mit dem Verstehen und Einfühlen in den Menschen mir gegenüber. Als Schmerz-Therapeutinnen und Therapeuten sind wir im besten Fall jeden Tag um die Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten bemüht. Nicht an der Rechtfertigung irgendeiner Methode oder Behandlungstechnik. 

Viel Erfolg und Spaß beim Ansehen oder Anhören dieses Themas „Hilfe zur Selbsthilfe“ mit dem MyoBoard (MyoBoard2go®). Herzlichen Dank an Dich für eine Bewertung oder ein kurzes Feedback. Auch wenn Ihr ein Thema habt, über das Ihr Fragen habt, nehme ich es gerne mal als Thema einer Episode auf.